Quelle: Kieler Nachrichten vom 30.6.2021 "Wort zum Alltag

Was haben wir gelernt?

"Es stehen Wahlen an. Jede Partei versucht, sich ins rechte Licht zu setzen. Stimmen sollen nicht verloren, sondern dazugewonnen werden. Aber die noch nicht überstandene Corona-Zeit hat einen tiefen Eindruck hinterlassen, an dem sich die politischen Programme nun messen lassen müssen. Eindrücklich war die Lektion der Neubewertung  sozialer Berufe. Das Klatschen für die Rettungs-, Pflege-, Krank,enhaus-, Ordnungs-, Transport-, Kassen- und andere  systemrelevante Kräfe klingt noch in meinen Obren nach. Mehr Lohn sollte in diese gesellschaftlich  unverzichtbaren Berufszweige fließen, uni die Arbeit attraktiver werden zu lassen. Dafür müssen wir Geld ausgeben oder besser: umverteilen. Hier gelangen wir an ein altes Konzept aus den Anfängen unserer Republik, die soziale Marktwirtschaft. Das ist vertraut und leicht zu bewerkstelligen oder nicht?

Dazu eine kleine Anekdote über russische Sozialis"ten, die gleiches vorhatten: Die Sozialisten in Minsk baten Rabbi Elieser Rabinowitz, sie bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Der Rabbi sagte: „Ich will gern helfen, eure Idee zu verwirklichen.Wir werden uns die Arbeit teilen. Ihr werdet die Reichen überreden, dass sie geben, und ich die Armen,"dass sie nehmen. "

Ich befürchte, dass ich auch lieber den zweiten Teil der Arbeit übernommen hätte. Auch fürchte ich, dass nach dem Abklingen von Corona-Beschränkungen das Thema„ verteilen" in den Wahlprogrammen oft wohlversteckt sein wird. Aber genau diese Ehrlichkeit brauchen wir, um in die Zukunft gehen und unsere Kinder entlasten zu können. Ich möchte nicht von politischen Systemen und philosophischen Ansichten reden. Teilen ist mehr als das. Es bedeutet, dass jeder Verantwortung auf sich nimmt, und sich auch keiner davor drückt."

Ich glaube, wenn wirklich.alle den Gürtel enger schnallen (müssen), fällt es insgesamt leichter.

Nikolaus Berdjajew schrieb: „ Die Sorge um mein täglich Brot ist eine materielle Frage . Die Sorge um das Brot meines Bruders ist eine geistliche Frage ." Wenn beides in diesem  Sinne -materielle und geistliche Haltung - zusammenkommt, wird die Situation aller Menschen besser und die Gemeinschaft wird als Zugewinn stärker. Ich hoffe, dass das aus Pandemie und anderen Problemen Gelernte und Erlittene nicht in der Wohlstandsgesellschaft versickert , sondern für uns alle zu richtigen und wichtigen Konsequenzen führt. Damit kommen wir zu einem urchristlichen Anliegen: „Tragt einer des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen." So gehe ich nachdenklich in den Urlaub
und bin gespannt auf die Wahlen und was sie bringen werden.

F.Winkelmann

 

 

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