Predigt zum Sonntag Invokavit 21.02.2021

PREDIGT
Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater, und von Jesus Christus unserem Herrn. AMEN
Predigt

Liebe Gemeinde,

Kirche Raisdorf vor einiger Zeit hat die Katholische Bischofskon­ferenz in Italien eine Änderung im Text des Vaterunsers beschlossen: Statt „Führe uns nicht in Versuchung” heißt es nun „Lass uns nicht in Versuchung geraten”. Nicht Gott führe den Menschen in Versuchung, sondern der Teufel. „Ein Vater tut so etwas nicht”, sagte Papst Franziskus.
Zwei Generationen nach Jesu Tod ist das Vaterunser, wie das ganze Neue Testament, in griechischer Sprache niedergeschrieben worden. Jesus selbst aber hat aramäisch gesprochen. Kann ein Fehler bei der Übersetzung sein?
Was Jesus den Jüngern wirklich gesagt und ans Herz gelegt hat, wissen wir nicht.
Die deutschen katholischen Bischöfe haben sich gegen die Veränderung des Vaterunsers ausgesprochen.
Und unsere Evangelische Kirche ist auch nicht auf den Zug aufgesprungen – man könne den Bibeltext nicht einfach ändern, nur weil man Probleme damit hat.
Die Übersetzer sagen: Der griechische Text ist klar: „Führe uns nicht, bring uns nicht in die Versuchung hinein.”
Trotzdem steht nun die Frage im Raum: Kann das sein, darf das sein, dass Gott so etwas tut: Einen Menschen absichtlich in Versuchung führen?
Niemand sage, wenn er versucht wird, dass er von Gott versucht werde. Denn … er selbst versucht niemand. Sondern ein jeder, der versucht wird, wird von seiner eigenen Begierde gereizt und gelockt. So lesen wir im Jakobusbrief (1,13f). Und so legt auch Martin Luther im Kleinen Katechismus die Vaterunser-Bitte entgegen dem Wortlaut der Bibel so aus:
„Und führe uns nicht in Versuchung. Was ist das? Gott versucht zwar niemand; aber wir bitten in diesem Gebet, dass uns Gott behüte und erhalte, damit uns der Teufel, die Welt und unser Fleisch nicht betrüge und verführe…”
Der Teufel ist es, der verführt, sagt Luther. So sagt es auch Papst Franziskus. Damit wäre Gott sozusagen aus dem Schneider. Aber löst das das Problem wirklich?
In der alttestamentlichen Lesung für den heutigen Sonntag ist es die Schlange, die Adam und Eva durch ihre fiesen Einflüsterungen in Versuchung führt. Doch Gott ist ihr Schöpfer.
In der weiteren Lesung gibt Gott dem Satan freie Hand über Hiob, damit der seinen Glauben prüft. Doch der Herr über allem ist und bleibt Gott. Und so versteht es auch Hiob, wenn er sagt: Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?
Im Evangelium wird Jesus erfolglos vom Teufel in Versuchung geführt. Doch der Geist Gottes, also Gott selbst, hat ihn dorthin in die Wüste geführt, damit der Teufel genau das tun soll.
Die Provokation bleibt: Kann das sein, dass Gott mich bewusst auf eine Probe stellt, dass er mich in die Gefahr bringt zu stolpern? Ist das nicht hinterlistig? Was ist das für ein Gott?
Aber andererseits: Kann man einfach alles Gute auf Gott zurückführen und alles, was man nicht versteht, auf den Teufel? Nur damit unser kindliches Bild vom lieben Gott nicht leidet und keinen Schaden nimmt?
Gott ist nicht immer nur so, wie wir es uns wünschen. Gott ist nicht immer nur verständlich. Er ist nicht immer nur lieb. Und er bleibt doch der Vater. So betet Jesus im Garten Gethsemane: Abba, Vater, alles ist dir möglich; nimm diesen Kelch von mir; doch nicht, was ich will, sondern was du willst! Und am Kreuz schreit er: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Wenn Böses geschieht: Welche Rolle spielt der Teufel? Welche Rolle der Mensch? Welche Rolle Gott?
Im heutigen Text geht um den Menschen. Wie kam es dazu, dass Judas Jesus verraten hat? Wer hat ihn in diese Versuchung geführt?

Als Jesus das gesagt hatte, wurde er erregt im Geist und bezeugte und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch wird mich verraten. Da sahen sich die Jünger untereinander an, und ihnen wurde bange, von wem er wohl redete. Es war aber einer unter seinen Jüngern, der zu Tische lag an der Brust Jesu, den hatte Jesus lieb. Dem winkte Simon Petrus, dass er fragen sollte, wer es wäre, von dem er redete. Da lehnte der sich an die Brust Jesu und fragte ihn: Herr, wer ist's? Jesus antwortete: Der ist's, dem ich den Bissen eintauche und gebe. Und er nahm den Bissen, tauchte ihn ein und gab ihn Judas, dem Sohn des Simon Iskariot. Und nach dem Bissen fuhr der Satan in ihn. Da sprach Jesus zu ihm: Was du tust, das tue bald! Niemand am Tisch aber wusste, wozu er ihm das sagte. Denn einige meinten, weil Judas den Beutel hatte, spräche Jesus zu ihm: Kaufe, was wir zum Fest nötig haben!, oder dass er den Armen etwas geben sollte. Als er nun den Bissen genommen hatte, ging er alsbald hinaus. Und es war Nacht.

So steht es bei Johannes. Was sagen die anderen Evangelisten zum Verrat des Judas?
Im Matthäusevangelium fragt Judas die Hohepriester, was sie bereit sind zu zahlen, wenn er ihn verrät. Wer hat den Judas verführt? Seine Begierden? Wie es der Jakobusbrief sagt oder auch Martin Luther. Ja, seine Begierde, sagt Matthäus: Seine Geldgier - 30 Silberlinge.
Im Markusevangelium heißt es einfach nur, Judas geht zu den Hohepriestern und kündigt ihnen an, Jesus zu verraten. Wer hat nun den Judas zu seinem Tun verführt? Ich weiß es nicht, sagt Markus.
Nach dem Lukasevangelium fährt der Satan in ihn, so dass er zu den Hohepriestern geht. War es der Teufel, der Satan, der ihn verführt hat? Ja, genau der, sagt Lukas.
Und hier im Johannesevangelium: Der Satan „gibt Judas ins Herz”, Jesus zu verraten. Beim Essen kündigt Jesus den Verrat dann an. Den Jüngern ist bang, wen er damit meint. Ihn direkt zu fragen, trauen sie sich nicht. Da fragt Petrus den Jünger Johannes, der nach dem Johannesevangelium eine besondere Beziehung zu Jesus hat. Und Jesus offenbart ihm: Der Verräter ist der, dem Jesus gleich den nächsten Bissen gibt. Jesus gibt dem Judas den Bissen und damit fährt der Satan in ihn. Und Jesus ergänzt noch: Was du tust, das tue bald.
Ja, der Teufel ist die Ursache für den Verrat. Doch eine eigenständige Macht hat er nicht. Jesus ist in allem der Handelnde. Er setzt selbst das Geschehen in Gang, indem er Judas den Bissen gibt und ihn noch dazu auffordert: Was du tust, das tue bald. Konnte sich Judas wehren? Hatte er eine Chance?
Im nächsten Vers, der nicht mehr zu unserem Predigttext gehört, heißt es: Da Judas nun hinausgegangen war, spricht Jesus: Jetzt ist der Menschensohn verherrlicht, und Gott ist verherrlicht in ihm. Johannes Worte klingen seltsam, weil er die gesamte die Heilsgeschichte vor Augen hat: es ist notwendig, denn die Tat des Judas dient der Verherrlichung Jesu und der Verherrlichung Gottes. Judas wird zum Werkzeug Gottes.

Liebe Gemeinde, bis zu diesem Zeitpunkt haben wir gemütlich auf dem Sofa gesessen und dem Film zugeschaut. Wie die Jünger fragen wir uns: Wen meint Jesus? Wir fragen wie die Kommissare in den Krimis: Was könnte das Motiv des Täters gewesen sein? Wir schauen miteinander in menschliche Abgründe. Doch nun ist der Täter gefunden. Der Verräter ist klar. Alles ist wieder im grünen Bereich.
Als Jesus das gesagt hatte, wurde er erregt im Geist und bezeugte und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch wird mich verraten. Da sahen sich die Jünger untereinander an, und ihnen wurde bange, von wem er wohl redete.
Da sahen sich die Jünger untereinander an. Mit diesem Satz ist es klar, dass wir mitten in der Geschichte - in der Wirklichkeit stecken. Als Getaufte und Glaubende gehören wir in den Kreis der Jünger. Wir sind Betroffene und Beteiligte. Auch uns muss bange werden, wenn Jesus fragt.
Die anderen Evangelien sagen es noch ein wenig deutlicher: Da wurden sie traurig und sagten zu ihm, einer nach dem anderen: Bin ich's?
Bin ich’s? Dieser Frage dürfen wir nicht ausweichen. Auch wir stehen immer wieder in Versuchung.
Welche fiesen und hinterhältigen Stimmen verführen uns? Die fiese Stimme der Schlange bei Adam und Eva im Paradies: In Wirklichkeit meint es Gott nicht gut mit euch, wenn er euch Grenzen setzt. Er will euch nur etwas vorenthalten. Wird es nicht an diesen Grenzen und hinter diesen Grenzen im Leben erst so richtig interessant?
Oder die hinterlistigen Fragen und Botschaften aus unserem Inneren: Muss man das wirklich so eng sehen? – Könnte das nicht auch ganz anders gemeint sein? – Andere sind doch auch nicht besser. – Dir schenkt doch auch niemand was?
Wo kommen solche Stimmen und Botschaften her? Aus unserem egoistischen Inneren? Vom Teufel, der uns vom rechten Weg abbringen will? Gar von Gott selbst, der unseren Glauben und unser Vertrauen auf die Probe stellt?
Wäre nicht viel wichtiger, als diese schwere Frage beantworten zu wollen, dass wir uns gegen solche Stimmen wappnen? Dass wir hellhörig werden und aufmerksam?
Hellhörig sein. Aufmerksam sein. Auf Versuchungen und Täuschungen gefasst sein. Das brauchen wir im Alltag, wenn uns jemand mit einer E-Mail oder per Post falsche Gewinnversprechen macht. Oder wenn jemand bei uns anruft und sich als Enkelkind ausgibt, das dringend Geld braucht.
Hellhörig sein. Aufmerksam sein. Das brauchen wir auch im geistlichen Leben: Gute und lebensfördernde Stimmen unterscheiden lernen von den bösen und lebensfeindlichen, die uns von Gott abbringen wollen.
„Ach bleib mit deiner Gnade bei uns, Herr Jesu Christ, dass uns hinfort nicht schade des bösen Feindes List.
Ach bleib mit deiner Treue bei uns, mein Herr und Gott; Beständigkeit verleihe, hilf uns aus aller Not” singen wir hoffentlich bald wieder im Gottesdienst gemeinsam.
Jesus kannte dieses Lied nicht. Aber beide antworten auf die fiesen Fragen des Teufels: mit Gottvertrauen. So hat Jesus in der Wüste widerstanden: » Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.«  Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel herzu und dienten ihm. Amen

Vater unser im Himmel
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. AMEN

Der Herr behüte dich und er segne dich.
Der Herr lasse leuchten sein Angesicht über dir
und sei dir gnädig.
Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich
und gebe dir Frieden.     AMEN

Ihr Pastor Fredt Winkelmann

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